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In der Starterliste für den zum fünften Mal stattfindenden IRONMAN Wales im malerischen Küstenstädtchen Tenby stand ich schon früh im Jahr. Von den etwas raueren Bedingungen und der profilierten Radstrecke fühlte ich mich angezogen. Ich wollte mich der walisischen Herausforderung stellen. Meine erste Langdistanz in 2015 bestritt ich ja auf Lanzarote – ebenfalls einer der anspruchsvolleren im IRONMAN-Rennkalender. Meine zweite Langdistanz machte ich in Roth, mit dem Ziel, auf diesem schnellen Kurs meine persönliche Bestzeit zu knacken. Sowohl Lanzarote als auch Roth konnte ich nur mühsam ins Ziel bringen. Jeweils auf der zweiten Radhälfte hatte ich schon zu kämpfen und konnte keinen Druck mehr in die Pedale bringen. Beim Laufen ging es dann auch nicht wesentlich besser. Rennen zum Genießen waren das also nicht und von meiner persönlichen Bestzeit blieb ich weit entfernt.

Ich stellte mir die Frage, was wohl der Grund für diese mäßigen Rennen war. Ich begann sogar schon, aus Verzweiflung und auf Anraten meines Trainers, in Sportpsychologiebüchern zu lesen – in der Meinung, es läge an fehlender Motivation. Der Kopf soll ja einen entscheidenden Einfluss auf die Leistung nehmen. Aber nach ein paar Seiten fühlte ich mich darin bestätigt, dass das Thema Sportpsychologie nichts für mich ist bzw. eigentlich selbstverständlich ist; ich die gegebenen Ratschläge sowieso in meiner eigenen Art und Weise umsetze und ich in der hochwissenschaftlichen Literatur zu keinen neuen Erkenntnissen kommen würde.

wales walter 2Als ich dann kurz nach der Challenege Roth wieder an einer üblichen Erkältung erkrankte – in diesem Jahr war ich sehr, sehr oft krank – begab ich mich zu meinem Hausarzt und ließ mein Blut untersuchen. Päng! Die Ergebnisse erfreuten mich, da sie wohl endlich die wahrscheinliche Ursache für mein Befinden erklärten. Ich hatte einen Mangel an Eisen und die Werte der für den Sauerstofftransport im Blut zuständigen ERYs waren deutlich unter der Norm. Mit einer sofortigen Injektion von Eisen und der Einnahme von Eisentabletten sowie Vitamin C sollte sich mein Zustand schnell verbessern. Irgendwie auch klar, dass beim IRONman nichts ohne IRON läuft ;-)

Im Training für den IRONMAN Wales absolvierte ich noch einmal ein paar lange Radeinheiten und ich war sehr zuversichtlich, dass ich ein gutes Rennen haben würde. Uli und ich reisten mit einem gemieteten Wohnmobil nach Tenby. Ich hatte noch Zeit, ein Gefühl für die Wettkampfstrecke zu bekommen. Am Donnerstag fuhr ich einen großen Teil mit dem Rad ab. Ja, die Strecke ist nicht einfach. Ständig geht es auf und ab, viele Kurven und kurze knackige Anstiege. Gut 2.000 Höhenmeter sollten wir über die 180 km sammeln. Die Laufstrecke hatte es ebenfalls in sich! Es gab so gut wie kein flaches Stück Asphalt. Und der Schwimmkurs? Der war am Wettkampftag auch nicht flach. Zwei Runden im 15 Grad kalten Atlantik mit ordentlichem Wellengang waren zu bewältigen, bevor es, ausgestattet mit ein Paar extra Laufschuhen, in die über 1 km entfernte Wechselzone ging.

Pessimistisch und der Wettervorhersage trauend, hatte ich ein Langarmradtrikot in meinen Wechselbeutel gepackt. Sogar lange Handschuhe hatte ich zur Vorsicht eingepackt. Doch der Wettergott war am Renntag auf unserer Seite. Es herrschten mildere Temperaturen als angesagt und der Regen hörte auch schnell auf. Die Straßen waren allerdings noch sehr lange nass. Zusammen mit allen anderen Profi-Athleten ging es für mich 5 Minuten vor den Agegroupern in die Fluten. Schnell war das Feld in den Wellen verteilt. Es war durch das unruhige Wasser schwierig, ein paar schnelle Beine zu halten. Nach langen 1:05:51 Std. beendete ich die erste Disziplin. Zwischenzeitlich lag ich beim Radfahren auf dem 4. Platz, doch irgendwie schienen heute alle Mädels gute Beine zu haben, sodass ich als Achte nach 6:04:15 Std. vom Rad stieg. In meinem langen Trikot war ich natürlich viel zu warm angezogen.

Ich fühlte mich nach den zwei Disziplinen gut und hatte keinen Einbruch wie bei meinen letzten zwei Langdistanzen.

Die Laufstrecke führte über 4 Runden durch Tenby und hinaus aus dem Ort (nur bergauf) und nach zwei zu absolvierenden Wendepunkten wieder zurück. Ich empfand die Runden sehr kurzweilig und konnte in den ersten beiden schön rollen lassen. Doch je müder die Muskeln werden, desto schwieriger fällt einem auch das Bergablaufen. Aber auch beim Laufen spürte ich keine große Erschöpfung. Ich genoss die von Zuschauern und Bier trinkenden Menschen gesäumten Gässchen und freute mich auch auf mein "Feierabendbier" im Anschluss des Rennens. Als Siebte erreichte ich das Ziel nach einem 3:27:59 Std. Marathon und einer Gesamtzeit von 10:49:01 Stunden auf der Promenade von Tenby, zum einen sehr froh über ein Rennen, dass sich endlich mal wieder gut angefühlt hat, aber auch zugleich etwas enttäuscht, dass es eben nur zu Platz 7 gereicht hat. Gerade als ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen wollte und die ersten Tränen kullerten, legte Anja Beraneck ihre Hand auf meine Schulter, um mich zu trösten. Ihr war nach ihrem Sieg in 9:56:31 Std. die Anstrengung nicht mehr anzusehen und sie zauberte mit ihrem üblichen Lächeln auch mir wieder meine Mundwinkel nach oben. "Für so eine Langdistanz braucht man auch einige Wettkämpfe als Erfahrung", wollte mich Anja trösten. "Wie viele Langdistanzen hast Du denn schon gemacht?" frage ich sie, wohlwissend dass ich einige Rennen mehr auf dem Buckel habe als sie. "Acht waren es bestimmt schon", überschlug Anja ihre Rechnung. "Mmmmh o.K., das hier war meine 16. Langdistanz, aber ist lieb von Dir gemeint!" Dann mussten wir beide herzlich lachen und meine Laune war wieder vollkommen hergestellt.

Triathlon ist zwar ein sich Messen mit anderen Athleten. Aber eben nicht nur. Triathlon ist auch das Erreichen seiner eigenen Ziele und das Überschreiten seiner eigenen Grenzen. Und diese habe ich heute vielleicht nicht überschritten, aber wenigstens ein Teil meiner Ziele sehr gut erreicht. Und der Wunsch und die Motivation es besser zu machen ist da. Weiter geht's!